Seit über 25 Jahren entwickelt er am Fraunhofer IPMS (Institut für Photonische Mikrosysteme) Sensoren und Sensorsysteme, sein persönliches Faible gilt der optischen Spektroskopie, vor allem dem Nah-Infrarot (NIR) Spektralbereich. Das ist der Bereich, den man mit dem normalen Auge nicht mehr sehen kann, der im Alltag jedoch für Informationsübertragung z.B. bei TV-Fernbedienungen genutzt wird.
„Ich finde es immer superspannend, wenn unsere Mikrosysteme-Technik, also kleinste Objekte und Nanometer dünne Schichten, die reale Welt treffen “
Wissenschaftler Heinrich Grüger bei der Langen Nacht der Wissenschaft in Dresden
Mit dem gut erforschten Verfahren der NIR-Spektroskopie können anwendungsnahe Echtzeit-Messungen in Bereichen wie Lebensmittelqualität, Gesundheitsvorsorge oder im Textilrecycling durchgeführt werden.
Was ist nun das Besondere an der hyperspektralen Bildgebung? Heinrich Grüger erklärt es mir am Beispiel. Wenn man mit einem Handy ein beliebiges Objekt fotografiert, z.B. ein T-Shirt, dann wird dieses auf dem Handydisplay in digitalen Pixeln wiedergeben, durch die zugehörigen Farbinformation RGB (rot, grün, blau).
Bei der hyperspektralen Bildgebung hingegen erhält man zu jedem Pixel auch die chemische Zusammensetzung (Chemical Sensing). Das ist möglich durch die Nahinfrarot-Spektroskopie, indem gleichzeitig hunderte Wellenlängen gemessen werden (so genannte Spektralkanäle). Jedem Bildpunkt kann man nun die ausgelesenen Informationen aus den Wellenlängen zuordnen und so die Zusammensetzung angeben. Jede chemische Verbindung hat nämlich einen spezifischen spektralen Fingerabdruck. Somit kann gemessen werden, ob ein T-Shirt aus Baumwolle- oder Polyesterfasern besteht und die dazugehörigen Eigenschaften sind bestimmbar (waschbar bei 40 oder 60 Grad). Ziemlich nützlich, wenn das Etikett am Shirt fehlt oder nicht mehr lesbar ist. Auch Flecken auf Kleidungsstücken lassen sich mit diesem Verfahren identifizieren.
Mit dem OASYS Projekt arbeitet Heinrich Grüger jetzt an einer intelligenten KI gestützten Lösung für die hyperspektrale Bildgebung, um die erfassten Datenmengen auf ein Minimum zu reduzieren. Bei einem T-Shirt muss nicht überall die Zusammensetzung erfasst werden. Es reichen wenige Messpunkte, dadurch spart man Zeit und die zugehörigen Kosten reduzieren sich drastisch.
Im Teilprojekt „A1 intelligente ultrakompakte hyperspektrale Kamera“ werden Hardware und Software für das kompakte Nah-Infrarot-Spektrometer entwickelt sowie die künstlichen Intelligenz mit entsprechenden Entscheidungsalgorithmen zur Spektralanalyse. Aus allen Messdaten werden die relevanten Informationen extrahiert, intern ausgewertet und Benutzerfreundlich darstellt.
Beim Recyclingprozess ist diese Technologie sehr nützlich, um zu entscheiden, ob die Textilie eine zweite Chance auf weitere Nutzung bekommt (ReUse), ob sie ins Recycling gehört – wo die Fasern zurückgewonnen werden oder ob sie so verbraucht ist, dass sie letztlich nur entsorgt bzw. verbrannt werden kann.
Bei anderen Objekten und Entscheidungsprozessen, beispielsweise in Obstsortieranlagen, kann man in Echtzeit mit Algorithmen entscheiden, ob der erntefrische Apfel für die Auslage im Supermarkt geeignet ist oder ob er vielleicht besser zur Safterzeugung in die Mosterei geliefert wird. Innere Druckstellen in Obst und Gemüse können mit bloßem Auge von außen unsichtbar sein, mit unschädlicher Nahinfrarot-Spektroskopie werden sie klar erkennbar.
Die Obstsortierung sei ein besonders gutes Anwendungsfeld, wo man einen Beitrag leisten kann. In einem kurzen Zeitumfang von 5-8 Jahren hält die entwickelte Technologie vom Labor in das tägliche Leben Einzug. Technisch neue Lösungen ermöglichen letzten Endes einen gezielten Beitrag zu gesellschaftlich relevanten Themen, wie der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung, der Abfallvermeidung oder der Minimierung des CO2 Ausstoßes.
Von Anfang an hat Heinrich Grüger das auch bei Fraunhofer begeistert. Er kann hier wissenschaftlich arbeiten und hat die Chance eigene Ideen umzusetzen. Die eigenen technologischen Entwicklungen im realen Leben selbst in Anwendung zu erleben, freut ihn sehr. Persönlich interessiert ihn am meisten, wie mit den entwickelten Einzel-Sensoren und zukünftig mit der Kombination verschiedener Sensoren mit Hilfe von KI ein Mehrwert geschaffen werden kann, um dann neue Anwendungsfelder zu erschließen und somit alltägliche oder spezielle Probleme zu lösen.
Heinrich Grüger engagiert sich schon sehr lange und sehr intensiv für die Nachwuchsförderung. Seine Intention ist es, möglichst früh anzufangen, Kinder und Jugendliche für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern. Ein Traum von ihm ist in der Sendung mit der Maus, die er sehr wegen der einfachen Wissensvermittlung schätzt, das Thema MEMS (Mikro-Elektro-Mechanische-Systeme ) kindgerecht zu erklären, um auch andere für das Thema Mikrosystemtechnik zu begeistern, dass liegt ihm wirklich am Herzen.
Anwendungsbeispiele Apfelsortierung
Erleichterte Qualitätskontrolle durch intelligentes portabels Spektrometer: Druckstellen werden ohne Beschädigung der Früchte sichtbar
Durch die Erforschung erfolgversprechender sensorischer Bauelemente wird im Projekt OASYS die Basis für neue Technologien in einer Vielzahl innovativer Anwendungsfelder geschaffen, die die Entwicklung besserer Verfahren vorantreiben z.B. im medizinischen Bereich der sanften (nicht invasiven) Untersuchungsmethoden, der maschinengestützten industriellen Fertigung, der optimierten Prozesstechnologie, dem intelligenten Recycling, der modernen Agrarproduktion sowie für Smart Mobility-Anwendungen und Konsumelektronik.